Unvorsichtig formulierte Stellenanzeigen können schnell zu hohen Entschädigungszahlungen führen!
AGG-Hopping hat sich inzwischen als fester Begriff für die Unart mancher „Bewerber“ etabliert, sich zum Schein auf unvorsichtig formulierte Stellenanzeigen zu bewerben. Dies jedoch einzig mit dem Ziel, nach einer (provozierten) Ablehnung Entschädigungszahlungen aufgrund einer angeblichen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu verlangen.
Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte im Fall einer Diskriminierung eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Hierbei machen sich die jeweiligen Bewerber die für den Arbeitgeber besonders tückische Beweislastumkehr des Gesetzes zunutze.
Denn der Bewerber muss nicht den vollen Beweis für eine Diskriminierung erbringen. Vielmehr reicht es bereits aus, dass Indizien vorgetragen werden, die auf eine Diskriminierung schließen lassen.
Solche Indizien finden sich typischerweise bereits in der Stellenanzeige!
In der Stellenanzeige darf nämlich weder unmittelbar noch mittelbar, ein nach dem AGG verbotenes Unterscheidungsmerkmal für die Stellenvergabe eine Rolle spielen.
Grundsätzlich verboten ist es deshalb, in der Stellenanzeige
- eine bestimmte ethnische Herkunft,
- ein bestimmtes Geschlecht,
- eine bestimmte Religion oder Weltanschauung,
- das Fehlen einer Behinderung,
- ein bestimmtes Alter oder
- eine bestimmte sexuelle Identität
zu fordern.
Wer in einer Stellenanzeige etwa nach einem „jungen dynamischen Mitarbeiter“ sucht, wird es sehr schwer haben, den erforderlichen Gegenbeweis zu erbringen, dass eine Diskriminierung bei der Ablehnung einer älteren Kandidatin nicht gegeben war.
Der Entschädigungsanspruch ist der Höhe nach grundsätzlich unbegrenzt! Lediglich sofern der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, ist die Entschädigung auf maximal 3 Monatsgehälter begrenzt.
Die unvorsichtige Formulierung einer Stellenanzeige kann daher für den Arbeitgeber schnell zu einem beachtlichen finanziellen Schaden führen. Und selbst für den Fall, dass sich der Arbeitgeber erfolgreich vor Gericht verteidigen kann, bleibt dieser aufgrund der Kostenregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit in der ersten Instanz jedenfalls auf den eigenen Anwaltskosten sitzen.
Von daher zahlen viele Betroffene lieber gleich eine Entschädigung, um ein zeit- und kostenintensives Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Umstritten ist allerdings, ob sich auch solche (Schein-)Bewerber auf eine (vermeintliche) Diskriminierung berufen können, die sich zielgerichtet auf diskriminierend formulierte Stellenanzeigen bewerben, obwohl sie tatsächlich gar kein Beschäftigungsverhältnis mit dem potentiellen Arbeitgeber anstreben, sondern ausschließlich Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend machen wollen.
Bisher konnten sich betroffene Arbeitgeber nämlich jedenfalls dann vor einer Entschädigungszahlung retten, wenn sie beweisen konnten, dass die Bewerbung nur zum Schein erfolgt war und der Bewerber von Anfang an nur die Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs anstrebte.
Ob dieser Missbrauchsbeweis Arbeitgebern auch in Zukunft noch offenstehen wird, ist nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 20.06.2015 – Az.: 8 AZR 848/13) fraglich.
Darin hat das BAG zwar ausgeführt, dass nach Auffassung des Senats ein Entschädigungsanspruch des Klägers voraussetze, dass dieser sich bei der Beklagten auch mit dem Ziel einer tatsächlichen Einstellung beworben hat. Andernfalls sei er nicht als „Bewerber“/“Beschäftigter“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG einzustufen. Jedoch müsse geklärt werden, ob das dem AGG zu Grunde liegende Unionsrecht (RL 2000/78/EG und RL 2006/54/EG) überhaupt voraussetze, dass tatsächlich eine Beschäftigung gesucht werde, da die einschlägigen Richtlinien nicht Begriff des „Bewerber“ verwenden, sondern den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ schützen. Es bedürfe daher einer Auslegung der einschlägigen Richtlinien. Daher hat das BAG das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes schon das Vorliegen einer formalen Bewerbung – ohne tatsächliche Beschäftigungsabsicht – genüge.
Sollte der Europäische Gerichtshof die Vorlagefrage bejahen, würde künftig bereits jede formale Bewerbung – ungeachtet von deren Ernsthaftigkeit – zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen ausreichen. AGG-Hoppern würde damit Möglichkeit zum systematischen Rechtsmissbrauch eröffnet.
Eine Entscheidung des EuGH steht noch aus, wird aber mit großer Spannung erwartet.
Von daher folgende Ratschläge an alle Arbeitgeber zur sicheren Gestaltung von Stellenanzeigen:
- Formulieren Sie Ihre Stellenausschreibung immer geschlechtsneutral.
- Vermeiden Sie sämtliche Begriffe, die einen Bezug zum Alter haben können. Geben Sie kein Mindest- oder Höchstalter an.
- Vermeiden Sie jegliche Vorgabe zur Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung.
- Vermeiden Sie Begriffe wie „Muttersprache“ oder „Dialekt“ und jegliche Einschränkung der Herkunft.
- Verlangen Sie kein Lichtbild, sondern „aussagekräftige Bewerbungsunterlagen“.
- Verwenden Sie keine Begriffe die körperliche und/oder geistige Behinderungen ausschließen könnten!
Sollten Sie sich unberechtigten Ansprüchen von Bewerbern auf Grund der Regelungen des AGG ausgesetzt sehen oder Hilfe bei der rechtssicheren Formulierung Ihrer Stellenanzeigen benötigen, treten Sie gern jederzeit mit linklegal – Kanzlei für Wirtschaftsprivatrecht in Kontakt.
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