BGH kippt VG-Wort-Ausschüttungen! Vielen kleinen Verlagen könnte Insolvenz drohen!
(BGH, Urteil vom 21. April 2016 – I ZR 198/13 – Verlegeranteil)
Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 21.04.2016 (Az.: I ZR 198/13) entschieden, dass die Verwertungsgesellschaft Wort (VG WORT) nicht berechtigt ist, grundsätzlich die Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage auszuzahlen.
Zweck der VG WORT ist es, die Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche ihrer Mitglieder treuhänderisch wahrzunehmen. Hierzu nimmt die VG WORT aus zahlreichen Quellen (etwa von Radiosendern, Bibliotheken oder Zeitschriften aber auch von den Herstellern technischer Geräte und Speichermedien, mit denen urheberrechtlich geschützte Werke verbreitet oder kopiert werden können) Zwangsabgaben ein und verteilt diese anschließend nach festgelegten Verteilungsplänen an Autoren und Verlage, um so eine angemessene Vergütung der Autoren und Verlage sicherzustellen.
Hierbei wurde (bei wissenschaftlicher Literatur) bisher ein pauschaler Betrag in Höhe von grundsätzlich der Hälfte der Einnahmen der VG WORT an die Verlage ausgeschüttet.
Gegen diese Praxis wandte sich ein Autor wissenschaftlicher Werke, der seine Rechte dadurch verletzt sah, dass die VG WORT die Verleger und bestimmte Urheberorganisationen entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans an ihren Einnahmen beteiligte, wodurch sich der Anteil des Klägers an diesen Einnahmen reduzierte.
Nach der Pressemitteilung Nr. 75/2016 des BGH vom 21.04.2016 hat der BGH dieser Praxis nun ein Ende gesetzt. Im Rahmen der Pressemitteilung wird ausgeführt:
„Eine Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche auszukehren; dabei muss sie diese Einnahmen in dem Verhältnis an die Berechtigten verteilen, in dem diese Einnahmen auf einer Verwertung der Rechte und Geltendmachung von Ansprüchen der jeweiligen Berechtigten beruhen. Damit ist es nicht zu vereinbaren, dass die Beklagte den Verlegern einen pauschalen Anteil ihrer Einnahmen auszahlt, ohne darauf abzustellen, ob und inwieweit diese Einnahmen auf der Wahrnehmung der ihr von Verlegern eingeräumten Rechte oder übertragenen Ansprüche beruhen. Allein der Umstand, dass die verlegerische Leistung es der Beklagten erst ermöglicht, Einnahmen aus der Verwertung der verlegten Werke der Autoren zu erzielen, rechtfertigt es nicht, einen Teil dieser Einnahmen den Verlegern auszuzahlen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Wahrnehmung der ihr von Verlegern eingeräumten Rechte oder übertragenen Ansprüche tatsächlich Einnahmen in einem Umfang erzielt, der es rechtfertigt, regelmäßig die Hälfte der Verteilungssumme an die Verleger auszuschütten. Den Verlegern stehen nach dem Urheberrechtsgesetz keine eigenen Rechte oder Ansprüche zu, die von der Beklagten wahrgenommen werden könnten. Verleger sind – von den im Streitfall nicht in Rede stehenden Presseverlegern abgesehen – nicht Inhaber eines Leistungsschutzrechts. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche für die Nutzung verlegter Werke stehen kraft Gesetzes originär den Urhebern zu. Die Beklagte nimmt auch keine den Verlegern von den Urhebern eingeräumten Rechte oder abgetretenen Ansprüche in einem Umfang wahr, der eine Beteiligung der Verleger an der Hälfte der Einnahmen der Beklagten begründen könnte. Das Verlagsrecht räumen die Verleger der Beklagten nicht zur Wahrnehmung ein. Gesetzliche Vergütungsansprüche haben die Urheber den Verlegern jedenfalls nicht in einem Umfang wirksam abgetreten, der es rechtfertigen könnte, die Hälfte der Einnahmen an die Verlage auszuschütten.“
Es ist davon auszugehen, dass das Urteil weitreichende und für kleine Verlage voraussichtlich sogar existenzbedrohende Folgen haben wird. Nach aktueller Rechtslage werden durch dieses Urteil nur noch Autorinnen und Autoren von der Ausschüttung profitieren und es entfallen für die Verlage jährliche Einnahmen im Millionenbereich.
Unklar ist bisher noch, für welchen Zeitraum Rückzahlungsansprüche gegenüber den Verlagen bereits verjährt sind. Während vieles dafürspricht, dass jedenfalls Rückzahlungsansprüche im Hinblick auf Auszahlungen bis zum Jahr 2012 bereits verjährt sein dürften, gehen einige Stimmen sogar davon aus, dass Rückzahlungsansprüche noch für Auszahlungen der letzten zehn Jahre durchsetzbar sein könnten. In diesem Fall wäre davon auszugehen, dass entsprechende Rückzahlungsansprüche zahlreiche Verleger in die Insolvenz treiben werden und eine vielschichtige Verlegerlandschaft mit zahlreichen kleinen Verlagshäusern keinen Bestand haben wird.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass das (bisher noch nicht veröffentlichte) Urteil des BGH juristisch überzeugend sein wird, ist nun doch die Politik dringend gefordert, einen eigenen Anspruch der Verlage zu schaffen.
Insofern sollte man nicht die Augen vor der Leistung der Verlage für eine ausgewogene Medienlandschaft verschließen. Während es die Verlage oftmals erst ermöglichen, literarische Werke einer breiten Öffentlichkeit überhaupt zugänglich zu machen und diese zu vermarkten, sind es gerade die von der Entscheidung besonders hart getroffenen kleinen Verlage, die im Sinne eines kulturellen Bildungsauftrages oftmals auch intellektuell, kulturell und künstlerisch anspruchsvolle Werke veröffentlichen, ohne hiermit kommerzielle Ziele zu verfolgen. Wenn zukünftig also nicht allein die Vermarktbarkeit und die erzielbare Auflage über die Daseinsberechtigung eines literarischen Werkes entscheiden sollen, erscheint es angezeigt, den Verlagen einen eigenen Anspruch zur Teilhabe an Vergütungsansprüchen für die Nutzung verlegter Werke zu schaffen.