15. Juni 2016 thorsten

Urheberrecht – Beweisverwertungsverbot für Cam-Aufzeichnungen

Rechtsanwalt Urheberrecht Hamburg

Amtsgericht Nürnberg spricht sich gegen ein Beweisverwertungsverbot für „Dash-Cam-Aufzeichnungen“ im Zivilprozess aus

Die Regelungen des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie zum Recht am eigenen Bild hindern Anwälte demnach nicht daran, sich im Zivilprozess auf „Dash-Cam-Aufzeichnungen“ als Beweismittel zu berufen.

In dem zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien über Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger hatte den Unfallhergang aus seinem Fahrzeug mittels einer sog. „Dash-Cam“ gefilmt und im Rahmen des Verfahrens entsprechend vorgetragen. Der Beklagte bestritt jedoch diesen Vortrag und schilderte einen abweichenden Unfallhergang. Zudem widersprach der Beklagte der Verwertung der als Beweismittel angebotenen Dash-Cam-Aufzeichnung des Klägers, da einer Verwertung nach Auffassung des Anwalts des Beklagten ein Beweisverwertungsverbot entgegenstünde. Die Frage, ob eine Dash-Cam-Aufzeichnung in einem Zivilprozess als Beweismittel verwertet werden darf, ist höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden.

Das Amtsgericht in Nürnberg ließ eine Verwertung in dem zugrundeliegenden Verfahren zu und stellte fest, dass die Angaben des Beklagten unzutreffend waren.
Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 08.05.2015 – 18 C 8938/14

Während einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung von einem Beweisverwertungsverbot ausgehen, weil die Verwendung solcher Kameras gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz verstoße (vgl. AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14), ist es nach Auffassung des Amtsgerichts Nürnberg bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift die in oder an Fahrzeugen mitgeführten Kameras überhaupt erfasse. § 6 b Bundesdatenschutzgesetz regele die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Aus dem Wortlaut des § 6 b Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz ergebe sich, dass diese Vorschrift ersichtlich auf die Überwachung öffentlicher Flächen durch stationäre Anlagen abstelle, nicht hingegen auf Aufzeichnungen aus einem fahrenden Fahrzeug heraus, bei denen die Öffentlichkeit schwerlich auf die Beobachtung hingewiesen werden kann. Zudem sei nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz die Beobachtung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke gerade zulässig.

Das berechtigte Interesse könne in dem vorliegenden Verfahren jedoch in der Schaffung eines aussagekräftigen Beweismittels im Rahmen eines effizienten Individualrechtsschutzes und einer funktionsfähigen Rechtspflege gesehen werden, so dass dieses Interesse des Klägers gegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen abgewogen werden müssten. Ein Verstoß gegen § 6 b Bundesdatenschutzgesetz führe noch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, da das Bundesdatenschutzgesetz ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot in Zivilverfahren gerade nicht regele. Entgegen der Auffassung des AG München (AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14) folge ein Beweisverwertungsverbot auch nicht aus § 22 S. 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie.

URHEBERRECHT

§ 22 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie gewähre keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung.

Nach § 24 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie dürfen für Zwecke der Rechtspflege Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten öffentlich zur Schau gestellt werden, was eine Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung in einer öffentlichen Sitzung ermöglicht. Auch das KunstUrhG enthalte kein ausdrückliches Verwertungsverbot. Vielmehr zeigt § 24 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, dass die Verwertung zulässig sein kann.Bisher wird es in der Rechtsprechung für unproblematisch gehalten, wenn nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen und auch vom Unfallgegner gemacht werden, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligten zu sichern und diese in der Beweisaufnahme zu verwerten. Nichts Anderes könne daher für Videoaufzeichnungen gelten.

Zwar greife die Verwertung entsprechender Videoaufzeichnungen in das aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. Dieser Eingriff allein könne jedoch noch kein Beweisverwertungsverbot begründen. Vielmehr sei im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessensabwägung zu ermitteln, ob der Eingriff vom Betroffenen hingenommen werden muss.Ist ein starker Eingriff nicht zu bejahen, könne das Interesse des Aufzeichnenden überwiegen.

Das Verwertungsinteresse des Klägers sei im vorliegenden Fall erheblich, da der Unfallhergang vom Beklagten bestritten worden sei. Zudem diene die Videoaufzeichnung auch dazu, dem Gericht eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen. Um die Wahrheit zu ermitteln, seien die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebiete auch der in § 286 der Zivilprozessordnung niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz, BVerfG, NJW 2002, S. 3619, 3624.

Fazit:
Jedenfalls in Fällen, in denen der Geschädigte ohne die Verwertung entsprechender Aufnahmen in Beweisnot geraten würde und keine erheblichen Interessen des Betroffenen entgegenstehen, kann nur die Zulassung der Verwertung der Videoaufzeichnung letztlich zu einem materiell richtigen Ergebnis führen. Rechtsanwälte sollten daher genau prüfen, ob in dem von ihnen zu bewertenden Fall die Verwertbarkeit von Aufzeichnungen tatsächlich durch die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie zweifelhaft ist. Unter Berücksichtigung der Auffassung des AG Nürnberg kann erst eine umfassende Interessenabwägung zu einem Beweisverwertungsverbot führen.

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